zur Navigation springen

Chronik das Orstes Vogelsang an der Oder

©-Hinweis: Dieser Text wurde der Ortschronik von Vogelsang entnommen. Nach aktueller Informationslage basieren diese Angaben auf Recherchen von Dr. Klaus-Dieter Gansleweit (geb. 1943 in Berlin)

In einer am 25. Juni 1327 zu Beeskow ausgefertigten Urkunde entsagt der Herzog Rudolf I. von Sachsen allen Ansprüchen an den Wald Roertweil und überläßt ihn mit 5 Hufen (85.105ha; 1 Hufe = 17.021 ha) zu Vogelsang dem Kloster Neuzelle, doch unter Vorbehalt der den Bauer zu Aurith und Ziltendorf zustehende Weiden- und Holzgerechtigkeiten.
Mammut
Mammut
Wollnashorn
Wollnashorn
Riesenhirsch
Riesenhirsch

Die Vogelsänger Gemarkung wurde seit der letzten Eiszeit bis heute fast durchgängig besiedelt, wovon häufige ur- und frühzeitgeschichtliche Bodenfunde zeugen, die von der Steinzeit über die Bronze- und Eisenzeit bis in die jüngste Zeit reichen. In der Kiesgrube bei Vogelsang wurden Knochenreste von eiszeitlichen Großsäugetieren (Mammut, Wollnashorn, Riesenhirsch), Faustkeil
Faustkeil
ein Faustkeil und eine Feuerspitze gefunden, deren Alter zwischen 70.000 und 40.000 Jahren vor heute datiert. Sie zeugen von der Anwesenheit der Neandertaler-Menschen in unserer Region und können im Brandenburgischen Landesmuseum für Ur- und Frühgeschichte in Potsdam besichtigt werden. die Vogelsänger Kiesgruben, die der Firma Haniel Baustoff-Industrie, Sand- und Kieswerke GmbH gehören, sind seit jeher für die Geologen und Hobbysammler ein kleines Eldorado. Mit etwas Glück finden sie in den Segmentgesteinen erhalten gebliebene Fossilien und in den Kristallinen Gesteinen eingeschlossene Kristalle und Mineralien. Auf dem Gelände der Kiesgrube befinden sich östlich der Straße Fürstenberg - Vogelsang auch ein geologischer Lehrpfad mit ungefähr 100 aufgestellten Findlingen und seltenen Geschieben, die numeriert und mit Bestimmungstafeln versehen wurden. Ein Besuch lohnt sich!

Der klangvolle Ortsname Vogelsang geht auf einen Flurnamen zurück, der eine waldreiche Gegend bezeichnet, in der es viele Singvögel gibt. Die um 1200 einsetzende deutsche Ostkolonisation war im wesentlichen ein friedlicher Prozeß. Im Auftrage des Landesherren gründeten Lokatoren, meist niedere Adlige mit aus anderen Teilen des Deutschen Reiches angeworbenen Siedlern, oft in der Nähe slawischer Siedlungen, deutsche Dörfer. In dieser Zeit galt Vogelsang als ein öfter verwendeter Modename bzw. konnte im Einzelfall auch ein Rodungsname sein. (siehe Eichler: Die Ortsnamen der Niederlausitz, Leipzig 1975)

Der Sprachforscher Dr. Gansleweit führt aus urkundlichen Belegen folgende Schreibungen an:
1327 zume Vogelsange,
1345 der Vogilsang,
1416/26 Vogilsangk,
1547 Dorff Fogelsangk,
1562 Fogelgesangk,
1654 zu Vogelsang.

Zur Besitzgeschichte läßt sich folgendes sagen:
1345 besitzen die Fürstenberger Schultheißen das Dorf, und Oelmann vermutet, daß ihnen auch die dem Kloster von Herzog Rudolf I. von Sachsen überlassenen fünf Hufen zu Vogelsang gehörten, da in einer Urkunde und in "einem Grenzvergleich vom 9.1.1345 zwischen der Stadt Fürstenberg und dem Dorf Vogelsang der Schultheiß generell als Herr von Vogelsang erscheint." (Das Stift Neuzelle, Greifswald 1937)
Kaiser Karl IV.
Kaiser
Karl IV.
Vor- und Rückseite eines Prager Groschen
Prager Groschen
Als Kaiser Karl IV. zum Kampf am die Mark Brandenburg rüstete, erwarb er 1370 die Stadt Fürstenberg mit dem Dorf Vogelsang und einige andere Gebiete für die Kaufsumme von 1600 Schock (96.000 Stück; 1 Schock = 4 kleine Mandeln = 5 Dutzend = 60 Stück; Anm. d. R.) guter Prager Groschen.
Zwischen 1426 und 1429 muß das Kloster Neuzelle das Dorf wieder zurückgekauft haben.

Über die soziale Gliederung erfahren wir zum ersten Mal etwas aus den Bruchstücken zweier Neuzeller Erbbücher. Das erste aus den Jahren 1416/26 führt für Vogelsang 4 Bauen an. Im zweiten von 1428/38 erfolgte die Angabe von 13 Gärtnern, einem Krüger und einem Müller. Von den 12 Gesamthufen besaß der Richter 1 1/2, 10 Hufen waren "zinshaft", d.h. es mußten von den Besitzern Abgaben in Naturalien und Geld entrichtet werden.

Fast 150 Jahre später finden sich Angaben in zwei Neuzeller Urbaren (um 1570), die heute im Staatlichen Zentralarchiv Prag lagern: 17 Bauern, 29 Kossäten, 1 Häusler bzw. Büdner und der erwähnte Krüger und Müller.
Die kleinbäuerliche Schicht der Kossäten war ursprünglich nicht am Hufenland der Bauern beteiligt, sondern erhielt erst bei der Erschließung später Ländereien bescheidene Anteile. Häusler bzw. Büdner besaßen nur ihre Hütten und ein Stück Ackerland, von dem sie sich nicht allein ernähren konnten.

Im Jahr 1547 erwog der böhmische König Ferdinand aus finanziellen Zwängen den Plan, den gesamten Grundbesitz das Klosters Neuzelle an den Markgrafen Johann in Brandenburg zu verpfänden. Das hätte früher oder später die Säkularisierung (Verweltlichung; Anm. d. R.) des Klosters bedeutet. Der Abt Nikolaus konnte dieses Schicksal am Hofe in Prag abwenden, indem er sich zur Zahlung von 10.000 Talern verpflichtete. Um diese Summe aufzubringen, mußte das Kloster einen Teil seines Besitzes verpfänden, u.a. für 1200 Gulden das Dorf Vogelsang an die Familie Burgsdorf in Müllrose.

Nach Ablauf der Pfandzeit (1548-1564) kaufte das Kloster nur das Dorf Vogelsang zurück.

Im Juli 1623 war die Niederlausitz dem Kurfürsten von Sachsen übertragen worden, also wurden die Vogelsänger Untertanen jetzt sächsisch.

Am 7. Juli 1630 verkaufte der Abt von Neuzelle das Vorwerk in Vogelsang an den Rat und die Stadt Fürstenberg. Es wurde in einzelne Grundstücke geteilt, die die Wirte im Dorf erhielten.

Der fürchterliche Dreißigjährige Krieg schien jegliche Ordnung aufzulösen. Ständig besetzten Truppen das Gebiet. Der Krieg starb erst an Erschöpfung, als durchziehende Truppen nicht mehr durch Kontribution in Form von Geld und Naturalien versorgt werden konnten. Das Kloster Neuzelle zahlte diese Lasten und verteilte sie dann gleichmäßig auf das gesamte Klostergebiet. Aus vorgenommenen Untertanenzählungen geht hervor, daß Vogelsang vor dem Krieg 16 Bauern und 37 Kossäten und nach dem Krieg nur noch 3 Bauern und 4 Kossäten lebten. (Aus: Mauermann. Das fürstliche Stift und Kloster, Regensburg 1840.) Der Abt versuchte fremde Untertanen aus der Provinz, dem Reich und Böhmen anzusiedeln, indem er ihnen erbliche Bauern- und Kossätennahrungen gab. Viele wüste Höfe fanden dadurch einen neuen Besitzer und erhielten somit auch neue Torsäulennamen. Wie die folgenden Angaben zeigen, konnte die Bevölkerungsdichte nur allmählich ausgeglichen werden.
Die Wunden des Krieges heilten auf dem Lande schneller als in der Stadt. Viele Urkunden, in denen die Rechte und Pflichten festgelegt waren, gingen im Dreißigjährigen Krieg verloren. Aus diesem Grund schloß das Kloster Neuzelle mit den Untertanen einzelner Dörfern Rezesse (Vergleiche) ab. In den Rezessen von 1661 und 1673 wurde die Art und Weise des Steuerbetrags festgesetzt, d.h. in Vogelsang, Breslack, Seitwann und Göhlen zahlten drei Kossäten für eine Hufe. Über den Zustand des Dorfes Heißt es im einzelnen: "In Vogelsang seynd 18 besetzte Bauern, so Eilf halbe Hufen Landes unter sich haben, worzu der Müller Hannß Janisch mit einer Hufe kommet, als daß in allen 12 halbe Hufe allda vorhanden, Ingleichen seynd in diesem Dorff 16 besetzte und 5 unbesetzte Coßäthen wie auch 4 wÜste Büder, und sollen drey Gärtner anstatt eines Hüfners contribuiren, die Vier wüste Büdner aber passiren anstatt 2 Coßäthen." (Aus: Sprenger: Rezesse des Klosters Neuzelle, Niederl. Mitt., Guben 1929.)
Über die sozialen Schichtung der Bauern erfahren wir 1708, daß es in Vogelsang 4 Bauern, 14 Halbbauern, 17 Kossäten, 4 Büdner und insgesamt 72 Personen im Alter von 12 bis 60 Jahren gab.

Im Jahre 1817 hatte das Dorf im ganzen 69 Feuerstellen und die soziale Gliederung sah folgendermaßen aus: "1 Lehn- und Gerichtsschulzen, 3 Bauern, 15 Halbauern, 31 Kossäten, 14 Neuhäusler, worunter 1 Schullehrer, ferner 1 Müller, 1 Schmied und 4 Gemeinhirten." (Aus: Neues Lausitzer Magazin, 1844.)
Bis 1817, der Säkularisierung des Zisterzienserklosters Neuzelle, blieb das Dorf nun im Klosterbesitz.

Als der preußische König Friedrich Wilhelm III. am 8. Februar 1817 das Stift und Kloster aufhob, verfügte er in seiner Aufhebungsurkunde:
"1. Die Fonds des Klosters, sie mögen in barem Gelde, Aktivkapitalien, Renten oder liegenden Gründen bestehen, insgesamt zu wohltätigen und öffentlichen Erziehung gewidmeten Zwecken verwendet werden...
4. Die zur Neuzeller Gemeinde gehörenden Dorfschulen werden ebenfalls mit einem auskömmlichen Fonds versehen...
6. Hiernächst sollen die überbleibenden Fonds dergestalt geteilt werden, daß die Hälfte der Regierung zu Frankfurt a. d. O. zum bleibenden Fonds zur Verbesserung der evangelischen Schulen des Bezirks, jedoch mit vorzüglicher Hinsicht auf das Bedürfnis der Niederlausitz überwiesen werden soll."
In Kirchen- und Schulangelegenheiten müßte dieses Abhängigkeitsverhältnis zum Stift Neuzelle eigentlich bis heute fortbestehen. Heute bezahlt aber die Schule die Stiftung Neuzelle.

Im Jahre 1823 hatte das Dorf 1 Lehnschulzen, 3 Bauern, 16 Halbbauern, 19 Kossäten, 4 3/4 Kossäten, 2 3/8 Kossäten und 5 Halbkossäten.

Die Vogelsänger und selbst die Bauern einiger Höhendörfer, besaßen Wiesen-, Acker- und Hutungsland in der Unteren Fürstenberger Aue. Bei Hochwasser kam es häufig zu Überschwemmungen. Weite Ackerflächen standen unter Wasser, versandeten und konnten lange Zeit nicht genutzt werden. Um das zu verhindern bzw. einzudämmen, ließ Abt Nikolaus das erste und älteste Oderdammregister anlegen. Der Stadt Fürstenberg und den Dörfern wurden durch Kaveln (Lotsen) bestimmte Abschnitte des Dammes durch den Buchwald zugeteilt. Dabei hatte von den Dörfern Ziltendorf mit 60 Ruthen (...) und Vogelsang mit 52 Ruthen (1 Ruthe = 3,77m; 52 Ruthen = 196,04m) die längste Strecken des Dammes in Ordnung zu halten.
Die Hochwasser mit den höchsten Wasserständen und den kastatrophalen Folgen für die Bevölkerung waren die in den Jahren 1709,1736, 1770, 1785 und 1797.
Zeitgenössische Berichte, gekürzt der Wellmitzer Schützenchronik entnommen, schildern eindrucksvoll die verheerenden Auswirkungen dieser Naturkatastrophen: "Anno 1770: In diesem vergangenem Winter entstand eine außerordentliche Überschwemmung der Oder, welche in Betracht des sehr hohen Wassers nur wenig von dem des Jahres 1730 und 1709 unterschieden war. Die unglücklichen Folgen davon waren eine Menge beträchtlicher und zum Teil höchst gefährlicher Oderdammbrüche, die sehr traurige Verwüstungen der besten Äcker und wiesen anrichteten. Besonders der Dammbruch unter Vogelsang dem Schützenwerder gegenüber unerhört gefährlich, weil derselbe 190 Ellen lang und von dem Wasserspiegel an bis auf den Grund durchgängig 15, 16 bis 18 Ellen Tiefe hatte. Die kostbare Schützung und Ausbauung dieses Dammes wurde durch einen aus Crossen gedungenen Dammeister und Knecht, nebst 6 Tagelöhnern, 3 Kähnen und täglich gegen 100 Personen arbeitenden Stiftsuntertanen und 60 Wagen mit Zuziehung des Stiftskirchen-Dammeisters Hauß Sachliches unternommen, und unter des letzten Aufsicht und Arbeit binnen 13 Wochen, nachdem über 2800 Schocken Faschinen eingelagert, und der Damm von der neuen Erde aufgeführet worden, vollendet. Die baren Kosten beliefen sich auf 2000 (Taler?), und wenn sämtliche Dienste, Anspannung und Handarbeit, welche zum Teil und von hiesigen Untertanen unentgeldlich verrichtet, mit in den Anschlag genommen sollen, so würde der Aufwand über 6000 (Taler?) ansteigen."

Zwischen der Stadt Fürstenberg (Oder) und dem Dorf Vogelsang gab es immer eine enge Bindung. Die Feldmarken grenzten aneinander, das Dorf befand sich jahrelang im Besitz der Fürstenberger Schultheißen, die Bauern brachten ihre Produkte zu den Markttagen in die Stadt. Später wurden aus vielen Bauern Industriearbeiter, die in der nahegelegenden Stadt arbeiteten. Bis heute gehören Vogelsänger Christen zur Evengelischen Nikolaikirchengemeinde Fürstenber/Oder. Zur Kirchengeschichte schreibt Rudolf Lehmann: "... aber die Untertanen der Stiftsdörfer, wie die der Stadt Fürstenberg, waren bereits um 1550 fast sämtlich der Reformation gewonnen" (Untersuchungen zur Geschichte der kirchlichen Organisation..., Leipzig 1986). Seit dieser Zeit gehörten die Dörfer Vogelsang, Lawitz und Schönfließ zum Pfarrsprengel Fürstenberg. Die evangelischen Christen dieser Dörfer besuchten die Fürstenberger Kirche und beerdigten ihre Toten auf dem Fürstenberger Friedhof, bis sie um die Jahrhundertwende eigene Friedhöfe anlegten. Alle kirchlichen Lasten trug man gemeinsam, als z.B. 1792 der Kirchturm der Fürstenberger Kirche baufällig geworden war, trugen die Stadt zwei Drittel und die eingepfarrten Dörfer ein Drittel der Unkosten. Vogelsang besaß nie eine Kirche, sondern von 1962 bis 1995 eine kleine Kirchenbaracke, die den staatlichen DDR-Organen abgerungen wurde. Ein alter Ausspruch der Vogelsänger lautet: "In Vuogeldan is use Gott, in Ferstenberch de Kerche" ("In Vogelsang ist unser Gott, in Fürstenberg die Kirche").

Die Niederlausitz war in den Kriegen der vergangenen Jahrhunderte oft Durchgangs- und Verpflegungsgebiet der Kämpfenden Truppen, z.B. im Nordischen Kriege (1700-1721), Siebenjährigen Krieg (1756-1763), Befreiungskriegen (1806, 1813-1815). Dabei brachten Kontributionen, Plünderungen und Brandschatzungen die Bevölkerung der Städte und Dörfer in die größte Not. Jahrzehntelang mußten die Kriegsschulden getilgt werden. Kupferstich, französisches Lager in Böhmen
französisches Lager
Aus ehemaligen Stadtarchivakten geht hervor, daß in den Napoleonischen Befreiungskriegen 1813 in der Nähe der Stadt lagerndes französisches Heer Verpflegt werden mußte. In diesen Jahren borgten der Vogelsänger Bürger Gottfried Sarke 100 Taler, Gottfried Schulze 200 Taler, George Seilwinder 150 Taler, Gottfried Bülle 300 Taler und Gottfried Reiche 100 Taler.

Denkmal am Anger
Denkmal am Dorfanger
Auf dem Dorfanger erinnert ein Kriegerdenkmal mit der Inschrift "Helden gefallen im Ringen um Deutschlands Ehre und Sein. Nie wird Euer Name verklingen, heilig soll stets er uns sein", an die 42 gefallenen Soldaten das Dorfes im Ersten Weltkrieg. Vor einigen Jahren wurde das Denkmal restauriert. Beim Nachziehen der Schrift wurden einige Fehler gemacht, da der Schreiber wohl nicht dieser Schriftart kundig war. Ebenso brachte man Tafeln mit 71 Namen unter der Überschrift "Zum Andenken an unsere im II. Weltkrieg Gefallenen". Ehre nur den Kämpfern? Kein Wort das Gedenkens der Opfer der Weltkriege und der Gewalt der Nachkriegszeit, die doch die Mehrzahl der Toten ausmachten. Es fielen mehr deutsche Zivilisten als deutsche Soldaten. "Das Deutsche Reich von 1940 hatte 74,86 Millionen Einwohner. Durch Kriegshandlung, Flucht und Vertreibung fanden 3,6 Millionen Zivilisten den Tod. 3,25 Soldaten fielen oder starben in der Kriegesgefangenschaft, davon in sowjetischen Lagern 1,1 bis 1,85 Millionen. 6,85 Millionen tote Deutsche von 1939 bis 1945 und danach sind das deutsche Blutopfer des Zweiten Weltkrieges, das jeder 11. Deutsche auf sich zu nehmen hatte", schreibt Wolfgang Paul in seinem Buch "Der Heimatkrieg 1939 bis 1945".

Auf dem gepflegten Vogelsänger Friedhof befinden sich weiterhin ein Massengrab sowjetischer Soldaten, das von einem Obelisk überragt wird und ein bescheidenes Grab für unbekannte Soldaten und Opfer des zweiten Weltkrieges. Der "Russenfriedhof", auf dem ca. 46 Tote ruhen, musste nach einer Anweisung der sowjetischen Kommandantur bis zum 1. September fertiggestellt werden. Zur Pflege der Gräber heißt es in dem Schreiben vom 20. Juni 1946 des Fürstenberger Bürgermeisters Schulz an den Bezirksvorsteher Materne in Vogelsang: " Eine gestrige Besichtigung ergab, daß auf dem Friedhof die russ. Gräber völlig mit Unkraut überwuchert sind. Es ist jedem Demokraten unverständlich, daß die daneben liegenden deutschen Gräber in Ordnung sind, während die russischen scheinbar absichtlich vernachlässigt werden. Haben sie schon einmal überlegt, wie das politisch wirkt? Sämtliche Gräber sind uns ab gestern zur Instandhaltung und Pflege übergeben worden. Ich gebe Ihnen eine Frist von 3 Tagen diese so hinzustellen, daß man nichts mehr beanstanden kann. Weiterhin erwarte ich, daß Sie mir in 3 Tagen Meldung geben, daß die Anordnung ausgeführt ist. Denken sie immer daran, daß wenn sie sorgsam diese Ruhestätten pflegen, Sie dem deutschen Volke helfen."

Wie verlustreich für beide Seiten der Krieg war und wie bitter an der Oder gekämpft wurde, davon zeugen auch Denkmale für 566 gefallene Offiziere im Schlosspark zu Cybinka (Zeibingen) und für 3600 Soldaten an der Chaussee zwischen Cybinka und Bialkow (Balkow) auf der heutigen polnischen Seite (Siehe Schieche: Zwei sowjetische Denkmale..., EHK 1997). Die nationalsozialistische Großplanung wollte im Raum Fürstenberg (Oder) wegen der günstigen verkehrsgeografischen Lage und den Braunkohlevorkommen weitere Industrie ansiedeln. Aus diesem Grund erfolgte am 1. April 1944, wenige Monate vor Kriegsende, noch die Eingemeindung von Vogelsang und Schönfließ in Fürstenberg (Oder). Das Dorf Vogelsang lag im Braunkohlenabbaugebiet und sollte später dem Tagebau zum Opfer fallen. Seit längerer Zeit befanden sich wesentliche Teile der Gemarkung bereits im Besitz der Märkischen Elektrizitätswerke (MEW). Viele Arbeiter aus Vogelsang fanden seit jeher ihren Arbeitsplatz in der naheliegenden Stadt und sollten dann dorthin umgesiedelt werden. Für die bäuerliche Bevölkerung kam nur die Umsiedlung in die umliegenden ländlichen Bezirke in Betracht. (EHK 1993). Das ehemalige Grubenhaus steht heute noch linkerhand an der Chaussee zwischen Fürstenberg und Vogelsang. Auf der gegenüber liegenden Seite befand sich der Kohleschacht, der nach dem Krieg wieder in Betrieb genommen werden sollte, aber wegen des zu hohen Grundwasserspiegels aufgegeben werden musste. Kraftwerk Vogelsang
Ruine Kraftwerk Vogelsang
Einen markanten Orientierungspunkt in der Landschaft bilden die Schornsteine des Vogelsänger Kraftwerks. Zum Kraftwerksbau, der 1941 begann, wurden Zwangsarbeiter aus dem Fürstenberger Stalag III B eingesetzt, die in einem Sonderlager hinter der heutigen Buchwalddeponie untergebracht waren. Das Kraftwerk sollte den gesamten Warthegau mit Strom versorgen und hätte Anfang 1945 in Betrieb gehen können. Aber die Front rückte immer näher. Erbitterte Kampfhandlungen zerstörten das Bauwerk. Nach dem großen Oderhochwasser 1997 verhinderten Naturschützer den weiteren Abriss der Ruine. (Siehe Schieche: Das Kraftwerk Vogelsang).

Ende Januar/Anfang Februar erreichte die sowjetische Armee die Oder und begann Brückenköpfe zu bilden, so in Vogelsang und Wiesenau. Mitte April kam es zu besonders heftigen Kämpfen. als Kind kann ich mich noch gut an die zerstörten bzw. mit Einschüssen übersäten Gebäude in Vogelsang erinnern. Die Wunden des Krieges verheilten langsam.
Unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg begann unter komplizierten Bedingungen der Wiederaufbau. Die russische Kreiskommandanten teilten den Landkreis Guben in drei Bezirke auf. Zum Bezirk Fürstenberg, dessen Kommandant Oberstleutnant Adamowitsch und dessen Bezirksbürgermeister Schulz wird, gehören die Ortschaften Kieselwitz, Rießen, Diehlo, Schernsdorf, Fünfeichen, Wiesenau, Bremsdorf, Pohlitz, Fürstenberg (Schönfließ und Vogelsang eingemeindet). Die russische Kommandantur setzte in Vogelsang den 52-jährigen Landwirt Hermann Gast als Ortsältesten ein. Den parteilosen Gast schätzte man dem neuen Regime gegenüber staatsfreundlich ein. Lebensmittelkarte DDR 1956
Lebensmittelkarte
DDR 1956
Als stellvertretender Bürgermeister fungierte der 38-jährige Korbmachermeister Max Lehmann. bereits am 13.Mai 1945 erging eine Aufforderung an alle zurückgekehrten Vogelsänger, sich bei ihm zu melden und am nächsten Tag mit Schaufeln bewaffnet 6-8 Stunden Aufräumungsarbeiten zu leisten. Wer nicht erschien, hatte mit dem Entzug der Lebensmittelkarten zu rechnen und wurde der Kommandantur in Fürstenberg (Oder) gemeldet. Alle Kuh- und Pferdegespannbesitzer mußten sich mit diesen ebenfalls einfinden, bei Nichtbefolgung drohte ihnen die Enteignung. Weiter klare Anordnungen folgten. so hatte Vogelsang für die Kinder der Stadt Fürstenberg seit dem Juni täglich 20 Liter Milch abzuliefern, obwohl am 26. Juni 1945 erst 168 und am 15. Juli erst 185 der vor Krieg 943 Einwohner zählenden Gemeinde zurückgekehrt waren, und der gesamte Viehbestand 21 Milchkühe, 27 Pferde und 4 Schweine zählte.
Zum Ende des Jahres bat Gast nach fast achtmonatiger Tätigkeit um die Entbindung von seinem Amt und begründete dies folgendermaßen: "Als ich am 5. Mai d.J. mein schweres Amt als Bürgermeister übernahm, war Vogelsang ein Schlachtfeld I. Ordnung. Schutt und Leichen von Menschen und Tieren, rauchende Trümmer und Minen, war alles was ich übernahm. Andererseits strömten mir die verzweifelten, durch Flucht schon ohnehin demoralisierten Einwohner zurück. Abgehärmte, hungrige und elende Gestalten, die unter Tränen ihre letzte habe beklagten. Wahrhaftig ein Jammer! - Es gehört schon viel Mut und ein entschlossener, unbeugsamer Wille dazu, die Dinge zu meistern. Aber ich ging ans Werk. Keller und Wohnstätten wurden aufgeräumt und wiederhergestellt, Kochgelegenheiten und Brunnen repariert, die Straßen aufgeräumt, die Gräben zugeschaufelt, die Wege von Minensperren gesäubert und passierbar gemacht. Hunderte von Menschen- und Tierleichen wurden begraben, kurzum es mußte alles von Grund auf neu geschaffen werden, und das schlimmste war, mit den verzweifelten Menschen war nicht viel anzufangen. Ich sprach ihnen Mut zu, lobte oder tadelte, aber glaubte fest daran, die Menschen durch die Tat zu überzeugen und mitzureißen - aber hier habe ich mich geirrt. Anstatt mit mir Dinge gemeinsam zu meistern, machte sich gegen die Gemeinschaftsarbeit ein Unwille bemerkbar. Durch eigensüchtige durchtriebene Elemente, die nie arbeiten wollen, desto mehr haben wollen, aufgestachelt und aufgehetzt, mußte ich oft die Masse mit Gewalt im Zaum halten. Als mir am 28. August von so einem durchtriebenen Subjekt, der genau weiß, daß ihm ja heute keiner mehr was kann und ihm nichts passiert, die Scheune anzündete, war es mir klar, daß meine Mission als erledigt gilt. Aber die Lage im Dorf war so zerfahren, daß jeder Wechsel, alles zum Scheitern bringen mußte und meine Unfähigkeit erwiesen war, und das war der Zweck dieser Untat. Aus angeborenen Pflichtgefühl hielt ich aus und versuchte nun so oder so die Dinge in Ordnung zu halten. Der Rest der Ernste wurde eingebracht, es wurde gedroschen, die Aussaat vorbereitet und die Kartoffelernte eingebracht und nebenher wurde gebaut und noch mal gebaut. So wurden etwa 50 Häuser und etwa 80 andere Gebäude wiederhergestellt, so daß über 300 Menschen mit ihrem Vieh dort wohnen und leben können. Mein oberster Grundsatz war, der Bevölkerung Brot Kartoffeln für den kommenden Winter sicher zu stellen und darüber hinaus habe ich 850 Ztr. Getreide und 2000 Ztr. Kartoffeln abgeliefert und das vom zerstörtesten Dorfe des Kreises Guben. Vergleichen Sie Herr Landrat mit anderen Gemeinden.
Aber nun müßte man annehmen, daß die Menschen umsichtig wären und meine Aufgabe erleichtern würden. Weit gefehlt! - Haß, Neid, Verdächtigungen, Beschimpfungen sind der Dank für diese Aufopferung. Mit jedem Tage wird man anmaßender. Keiner leistet Folge. Strafen und Ermahnungen nützen nichts, es bleibt nur eins, ein neuer Bürgermeister. Vielleicht versteht er es besser mit Menschen umzugehen? Ich bitte ebenso höflich und dringend von meinem Posten entbunden zu werden, denn ich habe mein Pflicht getan, habe durch Einsäen und Einpflügen alles wieder so hergestellt, wie ich es übernommen habe und 45% mehr eingesät. Auf die Dauer wird die Lage für mich unhaltbar und der eine Mann hat im Winter Zeit zum Einarbeiten."
Beim Oberlandrat in Cottbus ging eine anonymes Schreiben eines Vogelsänger Bürgers ein, in dem Gast als "einer der brutalsten Faschisten" bezeichnet wird, der "klaut", "stiehlt" und ohne Rücksicht auf seine Gemeinde sein Haus und Grundbesitz aufs beste und modernste" ausbaut. Angeblich hat er sein Vieh nur zum Teil angegeben, damit er ständig etwas zum Schlachten hat. Karbid
Karbid
Weiterhin wird ihm vorgeworfen, daß er vor dem Krieg 18 Morgen Land und jetzt 50 Morgen besitzt. Während Leute im Dunkeln sitzen, hat er eine Tonne Karbid und Petroleum. Während er anderen das Abfahren von Bauasche aus dem Elektrizitätswerk und der Kohlegrube verbietet, eignet er sich mit seinem Stellvertreter diese Dinge an. Der Fürstenberger Bürgermeister gesteht gegenüber dem Landrat ein, daß Gast sein Verdienste hat, aber in der Gemeinde nicht sehr beliebt ist, da die besonderen Verhältnisse ein hartes Durchgreifen verlangten. Am 5.Februar 1946 wählten die Vogelsänger als neuen Bürgermeister den 48-jährigen Landwirt Erich Materne und als dessen Stellvertreter den Bauern Erich Karge. Im Nachfolgenden Brief des Bürgermeisters Materne an den Bürgermeister Schulz in Fürstenberg am 21.August 1946 werden typische Probleme der Nachkriegszeit wiedergegeben: "Ich gebe hiermit nochmals zur Kenntnis, daß immer noch ein 30t Panzer in Vogelsang ist. Ich habe dies schon oft gemeldet. Es wird jedesmal erklärt, es ist kein Karbid, den selben zu zerschneiden. Es soll mir keine Schuld gegeben werden, Fürstenberg weiß von nichts. Zu den Schützengräben am Kanal: Vogelsang war eine wahre Festung, so war das Dorf und die Feldmark von Gräben durchzogen. Ich habe alle Gräben und Bunker, die mir bekannt sind, zugemacht und die Gemarkung Vogelsang fertiggemeldet. Die noch am Kanal vorhandenen Gräben und Bunker sind Fürstenberger Feldmark. Wenn mir nun der Auftrag erteilt wird, diese Gräben zuzumachen, muß ich es für mein Verschulden ansehen und als eine Härte Vogelsang gegenüber betrachten. Wir hier in unsern Ruinen haben wochenlang, Tag für Tag von früh bis spät geschippt, um jeden Quadratmeter Land unter Opfern, welche über 20 Tote durch Minen gekostet hat, wiederherzustellen. Das Land gleicht den Wiesen, so sind die Ländereien verwildert. Die Kontingente sind hoch, geerntet wird durch den schlechten Zustand des Landes nur wenig, es bedarf viel Mühe und Arbeit, um aus dem Lande wieder einigermaßen Erträge zu erzielen. Die Bautätigkeit ist infolge der großen Anforderungen, die von allen Seiten gestellt werden, sehr gering. Ich weiß noch nicht, wie wir den strengen Winter mit dem Vieh durchkommen werden, denn die Ställe sind sehr schlecht, die letzten Wölbungen drohen einzustürzen, da sie nicht überdacht werden können. Ein großer Teil unserer Leute wohnt ebenfalls noch unter Kellerwölbungen. Es wäre nun doch bald mal genug, wenn man uns nicht alles zumuten würde und uns einmal alle aufgeführten Dinge verbessern ließe. Ich bitte Sie, Herr Bürgermeister, über weitere Einebnung der Gärten und Bunker in der Fürstenberger Feldmark freizustellen. Andernfalls ich keine Verantwortung über andere Verpflichtungen übernehmen kann. Denn, wenn hier ein Polizeibeamter in Vogelsang wäre und die Hamsterer jeden Tag festhalten würde, dann wäre jeden Tag eine Kolonne zum Schippen zusammen zu stellen, soviel Fürstenberger haben immer noch Zeit herumzubummeln." (Aus Chronik der ersten Jahre 1945-1949, hrsg. von Lehrern und Schülern des Neuzeller Gymnasiums, 1994.)

Interessant auch, wie die damaligen demokratische Einstellung der kommunalen Mitarbeiter überprüft und die "Freiwilligkeit" des Eintritts in eine Partei erfolgte.
Am 14. April 1945 (?) erhielten die Bezirksvorsteher von Vogelsang und Schönfließ ein amtliches Schrieben mit den Worten: "Die Statistik hat ergeben, daß in Ihrem Aufgabengebiet noch Angestellte vorhanden sind, die nicht parteipolitisch organisiert sind. Ich betone noch einmal, daß die Aufsichtsbehörde erwartet, daß jeder Arbeitnehmer der Provinzialverwaltung auch politisch eingestellt ist. Wer sich nicht zum neuen Staat bekennt, hat nicht das Recht, von ihm versorgt zu werden. Es wird deshalb erwartet, daß baldigst die Letzte, es sind insgesamt 16,33%, ihren Beitritt zu einer politischen Partei erklärt."

Erst 1956 wurde Vogelsang wieder ausgemeindet und eine selbständige Gemeinde.

Urkundliche Überlieferungen aus dem Hochmittelalter

Stich, Rudolf I. von Sachsen-Wittenberg
Rudolf I. von
Sachsen-Wittenberg
1327 Juni 25, Beeskow
Herzog Rudolf I. von Sachsen entsagt allen Ansprüchen an den Wald Roertweil (Wald mit einer darin liegenden Wiese in der Gemarkung der Stadt Fürstenberg - d.V.) und überläßt ihn 5 Hufen zu Vogelsang dem Kloster Neuzelle, doch unter Vorbehalt der den Bauern zu Aurith und Zitlendarf zustehenden Weide- und Holzungsgerechtigkeiten.

1345 Januar 9., Neuzelle
Abt Jacob und der Konvent von Neuzelle bekunden einen von ihnen geschlossenen Vergleich zwischen der Stadt Fürstenberg und dem Dorfe Vogelsang über die Grenzen zwischen beiden Orten und verschiedene beiderseitige Rechte und Pflichten bezüglich Fließe, Wege, Wiesen, Weiden und Waldnutzungen.

1345 Januar 30., Breslagk
Abt Jacob von Neuzelle bekundet ein zwischen der Stadt Fürstenberg und den Untertanen des Schultheißen daselbst in den Dörfern Lawitz, Deihlow, Schönfließ und Vogelsang in dem Dorfe zu Brezelag geschlossenes Abkommen über gemeinsame Waldnutzung.

1370 März 3., Fürstenberg
Abt Nikolaus und der Konvent des Klosters Neuzelle verkaufen Kaiser Karl IV. und der Krone Böhmen die Stadt Fürstenberg mit dem zum Richter daselbst gehörigen Dorfe Vogelsang, mit zwei Burgställen vor Müllrose, dem Teufelssee, der Schlaube und der Schlaubeheide, doch unter Ausschluß des Kloppetsees.

1390 Juni 12. Fürstenberg
Abt Dietrich von Neuzelle entscheidet Streitigkeiten zwischen Stadt Fürstenberg und dem Dorfe Vogelsang über ihre Grenzen und gemeinsame Wald- und Weidenutzung.

(Aus: Rudolf Lehmann: Urkundeninventar zur Geschichte der Niederlausitz bis 1400, Köln 1968.)

Einwohnerzahlen:
1610 53 Gehöfte,
1650 7 Gehöfte,
1814-1833 68 Häuser und 361 Einwohner,
1817 355 Einwohner,
1818 361 Einwohner, 68 Feuerstellen
1846 500 Einwohner
1857 575 Einwohner
1871 649 Einwohner
1886 726 Einwohner (721 evangelisch),
1891 798 Einwohner,
1900 849 Einwohner
1905 909 Einwohner (9045 evangelisch),
1925 985 Einwohner
1933 930 Einwohner
1939 896 Einwohner
1946 532 Einwohner
1964 767 Einwohner
1971 717 Einwohner
1981 647 Einwohner
1995 649 Einwohner
1999 821 Einwohner
2000 811 Einwohner

Seitenanfang